Mein Name ist Victoria Schwartz. Ich lebe in Hamburg und bin selbstständige Redakteurin, Kommunikationsdesignerin und Texterin. Zusätzlich zu meiner Medien-Tätigkeit ließ ich mich zur Familien- und Wirtschaftsmediatorin ausbilden. Seit Ende 2013 berate ich außerdem Betroffene von Realfakes.
Ich hielt mich immer für kompetent, was das Internet betrifft, zumal ich beruflich viel damit zu tun habe. Trotzdem ist es mir passiert: Ich wurde Opfer eines Realfakes. Ich kommunizierte über Monate mit jemandem, den es so nicht gab. Denn alles was ich über Fakes wusste, alle Vorurteile über plumpe, dumme Vorgehensweisen, offensichtlich als Fake-Profile identifizierbare Accounts und klar erkennbare (zum Beispiel materielle) Ziele griffen in meinem Fall nicht.
Um andere Menschen zu warnen, Sensibilität für das Thema zu schaffen und aufzuklären, bloggte ich Ende Juni 2013 über mein Erlebnis und bat die Leser, mit mir Kontakt aufzunehmen, falls ihnen ähnliches widerfahren war.
Was sich aus diesem Aufruf ergab, war nicht absehbar. Bis heute kontaktieren mich betroffene Männer und Frauen jedes Alters und jeder Bildungsschicht, bitten um Rat oder schütten mir ihr Herz aus. Anfangs bekam ich durchschnittlich alle zwei bis drei Tage eine Mail, in der mir von einem neuen Realfake-Fall berichtet wurde. Seit Erscheinen meines Buches, Mitte Oktober 2015, stieg diese Zahl aber rapide an.
Viele Betroffene befinden sich zum Zeitpunkt des Schreibens in einer “Beziehung” mit einer Person aus dem Internet, die sie noch nie gesehen haben. Bei anderen liegt das Erlebte schon einige Zeit zurück, sie können damit aber nicht abschließen. Zunehmend kontaktieren mich auch fakende Menschen, die nicht wissen, wie sie aus der scheinbar ausweglosen Situation herausfinden sollen.
Was mich besonders erschüttert – die meisten haben noch nie zuvor mit jemandem darüber gesprochen, was ihnen widerfahren ist. Aus Angst vor Spott, Belehrungen, Unverständnis – und einer tiefgreifenden Scham. Denn die natürliche Reaktion darauf, dass jemand auf einen Fake hereingefallen ist, scheint immer zu sein: “Du hättest doch etwas merken müssen!” Oder: “War doch klar! Der Typ auf den Fotos sah doch viel zu gut für dich aus!” Oder: „Da gehören ja immer zwei zu …”.
Häufig wird den Betroffenen auch gleich die Alleinschuld am Geschehen gegeben. Ihnen wird vorgeworfen, sie wären emotional bedürftig, süchtig nach Selbstbestätigung, denn sonst „hättest du es ja nicht nötig, dich auf Social-Media-Plattformen zu bewegen“. Oder man unterstellt ihnen, sie hätten kein Real Life, keine Freunde, kein Selbstwertgefühl.
Genau diese gesellschaftlichen Vorurteile sind es, die verhindern, dass die Betroffenen offen über ihre Erlebnisse sprechen. Dadurch entsteht der Eindruck, es handele sich um Einzelfälle. Leider ein Trugschluss.
Letzte Aktualisierung: 28.12.2022